Bereits auf dem
Flug wird eindringlich darauf hingewiesen, dass in Irland
Linksverkehr herrscht. Das setzt sich auch auf dem
Flughafen von Dublin fort. Die
Räder sind wohlbehalten angekommen, so steht einem Start in das Zentrum der irischen Hauptstadt nichts mehr im Wege. Nach einer Stunde Fahrt vom Flughafen haben wir unser Ziel, die internationale
Jugendherberge von Dublin, erreicht. Sie liegt in einem
alten Gebäude etwa zwei Kilometer nördlich der Innenstadt. Teil der Herberge ist eine
Kapelle, die als
Frühstücksraum genutzt wird. Wir haben ein Zimmer für uns, und den Ausdruck
'Toilette auf dem Gang' nimmt man hier wörtlich.
Nun schauen wir uns Dublin einmal genauer an. Zwischen Parlament und
Trinity College hindurch geht es zunächst nach
Temple Bar, das ist das Stadtviertel am Fluss Liffey mit den vielen
Musikpubs. Sie liegen meist in engen Gassen, sind farbenfroh bemalt und mit Blumen geschmückt. Dahinter passieren wir das
Dublin Castle mit dem kleinen Park
'Dubh Linn Garden' sowie die mittelalterliche
Christ Church Cathedral. Als ein
Schild die Alternative 'Bier oder Realität' offeriert, brauchen wir nicht lange zu überlegen…
Nach dem Frühstück in der
Kapelle der Jugendherberge fahren wir nordostwärts aus der Stadt. Kurz hinter dem Stadtrand erregt die uralte Kirche
'St Doulagh's Church' unsere Aufmerksamkeit. Die kleine
Kirche aus dem 12. Jhdt gilt als älteste steingedeckte Kirche Irlands. Ein paar Kilometer weiter erreichen wir das
'Malahide Castle', eine Burg aus dem Mittelalter. Teile der Anlage sind üppig mit Pflanzen
überwachsen, die
ehemalige Burgkapelle ist inzwischen eine Ruine.
Am Nachmittag, etwa 30km vor unserem Ziel, werden wir bei einer Rast von einem LKW-Fahrer angesprochen: 'Ihr wollt sicher nach Stabannon zum Deeside Manor?' Es stimmt tatsächlich, dort haben wir eine Unterkunft in einem Bed&Breakfast gebucht. Aber woher wusste er das? Die Antwort ist einfach: Seine Frau ist unsere Gastgeberin und hat ihm erzählt, dass sie heute drei Fahrradfahrer erwartet. Dies scheint auch in Irland nicht alltäglich zu sein, und so hatte er uns erkannt. Wir werden ihn später am Abend wieder sehen.
Es geht nun durch das County Louth auf kleinen Straßen mit hohen
Hecken, die einen guten Windschutz bieten. Die Ortsnamen auf den
Schildern sind neben dem vorherrschenden Englisch auch auf Irisch-Gälisch ausgewiesen. Diese Sprache wird zwar kaum mehr gesprochen, ist aber Amtssprache und muss daher auch in den Amtsstuben beherrscht werden. Gegen 17:30 erreichen wir das
'Deeside Manor' in Stabannon. Hier treffen wir Geraldine, unsere reizende Gastgeberin. Sie und ihr Mann Kevin, der LKW-Fahrer vom Nachmittag, haben ihr Haus liebevoll eingerichtet und bewirten uns vorzüglich. Nach dem
Abendessen ergeben sich interessante Gespräche mit unseren Gastgebern. Die ausgezeichneten Bewertungen für diese Unterkunft in den Übernachtungsportalen sind keine Übertreibung.
Nach einem üppigen
'Irish Breakfast' machen wir uns auf den Weg. Auf den ersten Kilometern wird die Straße von
Erdwällen eingefasst.
Dundalk ist die letzte Stadt in der Republik Irland, es gibt für uns aber keinen Grund, hier anzuhalten. Gegen 13 Uhr sehen wir eine irische
Flagge und vermuten, nun die grüne Grenze zu Nordirland erreicht zu haben. Dies ist auch der Fall, doch später werde ich zuhause beim Studium des GPS-Tracks feststellen, dass wir diese Grenze bereits zweimal zuvor überfahren haben, ohne es zu merken. Die Entfernungsangaben sind nun in Meilen ausgeschildert und wir brauchen eine neue Währung. Tatsächlich hat Nordirland eigene Banknoten, die von vier verschiedenen Banken herausgegeben werden und nicht zwangsläufig in den anderen Teilen des Vereinigten Königreichs akzeptiert werden. Mit Newry erreichen wir die erste Stadt in Nordirland und somit auch die Gelegenheit zum Geld holen und Mittagessen. Hier beginnt der
Newry Towpath, ein Treidelpfad entlang des
Newry Canals, auf dem die
National Cycle Route 9 geführt wird. Für gut 30km fahren wir so auto- und steigungsfrei auf einem prima
Radweg bis Portadown. Nur die
Sperrgitter am Beginn der Fahrradstrecken sind zu eng für Fahrräder mit Gepäck. Der Newry Canal ist einer der ältesten in Irland und Großbritannien und wurde 1742 eröffnet.
In Portadown finden wir schnell unser gebuchtes Gästehaus
'Bannview' und sind zunächst enttäuscht: Es befindet sich in einem alten Industriegebäude und wirkt äußerlich wenig einladend. Das gilt auch für die Stadt Portadown: Stacheldraht um Polizei- und andere Amtsgebäude zeugen vom Nordirlandkonflikt. Überall in der Stadt finden sich noch Wahlplakate zur kürzlich durchgeführten EU-Austrittsabstimmung. Es sind ausschließlich Plakate, die für den
Austritt werben, und die vermeintlichen Vorteile für das
nationale Gesundheitssystem in den Vordergrund stellen. Zehn Tage vor Beginn unserer Reise hatten sich die Briten per Volksabstimmung mehrheitlich für den sogenannten Brexit ausgesprochen. Der Landesteil Nordirland hatte allerdings mit Mehrheit für den Verbleib in der EU gestimmt.
Am Morgen werde ich von einem seltsamen älteren Herrn in die Küche zitiert, um unser Frühstück eigenhändig aus dem Ofen zu holen. Es ist
Gerald Black, der Besitzer des Gästehauses. Wir kommen mit ihm ins Gespräch und er bietet uns eine Führung durch sein 'Imperium' an, die wir gerne annehmen. Gerald hat über die Jahre mit Unternehmergeist und Liebe zu seinen Mitmenschen seinen Traum immer weiter ausgebaut. Angefangen mit einer Sportanlage, schuf er dann das Gästehaus und
Räume für die Kirchengemeinde. Er war mit der nordirischen Fußball-Ikone George Best befreundet, nach dem inzwischen ein Flughafen von Belfast benannt ist. Ein halbes Jahr nach unserem Besuch starb Gerald. Wir sind dankbar, einen so interessanten Menschen
getroffen zu haben.
Wir folgen weiter der
National Cycle Route 9, die bis zu unserem Ziel, Belfast führt. Die
Fahrradroute ist wunderschön durch die Landschaft geführt, leider regnet es die meiste Zeit. Auf dem letzten Stück von Lisburn bis Belfast verläuft der Radweg am kanalisierten Fluss
Lagan entlang. Nahezu ohne Autoverkehr und auf einer
perfekt asphaltierten Route kommen wir so mitten in die nordirische Hauptstadt Belfast. In Belfast biegen wir vom Lagan ab und fahren durch den
botanischen Garten. Wir passieren die riesige
Queen’s University auf dem Weg zur
Jugendherberge, die fußläufig zum Zentrum liegt.
In Belfast schauen wir uns zunächst die Innenstadt mit der
Presbyterianischen Kirche, der
City Hall und
St. Anne's Cathedral an. Auch die Pubs kommen nicht zu kurz. Die
'Soup of the Day' im 'Dirty Onion' müssen wir unbedingt probieren. Dann besuchen wir die Shankill Road, die Straße der radikalen, pro-britischen Unionisten. Das besondere sind hier die Wandmalereien, die martialisch vom
Nordirland-Konflikt, aber auch vom Schicksal nordirischer Einheiten im
Ersten Weltkrieg erzählen. Wenn der Inhalt der Bilder einmal nicht kriegerisch ist, blickt uns die
Queen entgegen. Die Straße ist durch den
'Peace Wall' vom Viertel der radikalen Republikaner getrennt. Eine meterhohe Mauer wird hier als 'Friedenslinie' gefeiert, was aus unserer deutschen Sicht sehr eigenartig anmutet. Wir sehen, wie
Stapel mit Paletten und Unrat in Brand gesetzt werden, und ihr schwarzer Qualm in das irisch-nationalistische Viertel zieht. Dazu erkundige ich mich bei einem vorbeikommenden Pärchen nach dem Sinn. Die Frau mag nicht antworten, es ist ihr wohl peinlich. Der Mann murmelt nur 'Protestantische Tradition' und geht weiter. Den Abend verbringen wir in einem Pub in der Innenstadt. Hier trinken alle gemeinsam friedlich ihr Bier.
Auch in der Jugendherberge besteht das
Frühstück aus Eiern, Speck, Pilzen und Tomaten – auf die Bohnen verzichten wir. Auf unserem Weg zur Fähre machen wir einen Abstecher in die Falls Road. Diese ist, als Pendant zur Shankill Road, die Straße der radikalen pro-irischen Republikaner. Auch hier gibt es
martialische Wandmalereien, Murals genannt. Hervorstechend ist dabei die Fassade der Zentrale der nationalistischen Partei
Sinn Fein mit dem Konterfei des als Märtyrer betrachteten
Bobby Sands. Neben der Ablehnung des
britischen Militärs wird auf den Murals für die
Vereinigung Irlands geworben, aber auch für
humanere Flüchtlingspolitik. Es gibt sogar Touristenführungen von irischen Veteranen. Wir wollen uns aber lieber unser eigenes Bild machen. Einige Straßen führen direkt am
'Peace Wall' entlang, der uns in einigen Aspekten frappierend an die Berliner Mauer erinnert.
Nun fahren wir zum
Hafen, denn wir wollen die Insel hier per Schiff nach Schottland verlassen. Ob das eine gute Idee ist? Schließlich ist das bekannteste, aus Belfast kommende Schiff die Titanic… Unser Schiff ist die
Stena Superfast VII, sie bringt uns in zweieinhalb Stunden nach
Cairnryan in Schottland. Auf der verkehrsarmen
Küstenstraße geht es leicht bergauf und bergab. Von hier haben wir den Blick auf die etwa einen Quadratkilometer große und 338m hohe Felseninsel
Ailsa Craig. Sie steht zum Verkauf, aber wir haben gerade nicht das nötige Kleingeld dabei. Außerdem erscheint sie uns zum Fahrradfahren nicht geeignet. In Girvan suchen wir eine Unterkunft. Wir finden das
'Royal Hotel', eigentlich eher ein Pub mit ein paar Zimmern. Der Wirt ist freundlich, aber wir verstehen kein Wort von dem, was er sagt. Mit Englisch hat das hier nichts zu tun. Er spricht Scots, das vom Englischen etwa so weit entfernt ist, wie das Plattdeutsche vom Deutschen. Uns gelingt es dennoch, zwei Zimmer zu beziehen und – in diesem Augenblick fast noch wichtiger – Bier zu bestellen. Der ruhige Küstenort mit dem kleinen
Hafen und der
Mole gefällt uns gut.
Zunächst fahren wir die Hauptstraße weiter nach Norden. In Turnberry biegen wir dann auf die A719 ab, die an der Küste entlang führt. Hier stoßen wir auf ein riesiges
Golfhotel. Es gehört einem gewissen Donald Trump, von diesem Herrn werden wir in den nächsten Jahren noch mehr hören… Ein paar Kilometer weiter besuchen wir einen viktorianischen, ummauerten
Garten aus dem 18. Jhdt. Das zugehörige Schloss
Culzean Castle liegt gleich dahinter, unübersehbar auf einem Felsen direkt am Meer. Wir folgen der Küste weiter mit Rückenwind nach Norden und passieren das
Dunure Castle, von dem aber nur noch die Ruine steht. Ein Mittagessen finden wir erst am Ortseingang des Badeortes
Ayr. Das hübsche, kleine Restaurant 'Secret Garden' ist direkt am Fluss Doon gelegen. In Ayr sehen wir auch das Verkehrsschild
'Elderly People' wieder, vor dem wir bereits
20 Jahre zuvor auf unserer gemeinsamen Fahrt in Südengland posiert haben, und dies zum
Motto unserer jetzigen Tour gemacht haben.
Auch über Schottland zieht sich der landesweite, britische Radwegeverbund 'National Cycle Network', wobei sich sein dichtestes Netz über den Landesteil England erstreckt. Die Radwege führen meistens auf kleinen Straßen und ehemaligen Bahnstrecken oder an Kanälen entlang. Grundsätzlich wird dabei auf Verkehrsarmut mehr Wert gelegt als auf die Wegequalität, wenn auch die meisten Wege gut befahrbar sind. Wir folgen nun der
Route 7 an der Küste entlang nach Troon. Hier wird gerade das international beachtete Golfturnier 'British Open' vorbereitet. Das Turnier ist auch der Grund, weshalb wir in unserem für heute angedachten Zielort Irvine keine freie Unterkunft finden. So müssen wir in den Vorort Gailes zurückfahren und erhalten im 'The Gailes Hotel' sogar eine
Suite zum Sonderpreis und danach ein luxuriöses Abendessen.
Auf der kurzen Etappe nach Glasgow fahren wir die ganze Zeit auf der schön gelegten
National Cycle Route 7. Wir passieren wir am Morgen das altertümliche Kilwinning mit einer
Klosterruine aus dem Mittelalter. Von Kilbirnie an verläuft der gut ausgeschilderte
Radweg mit perfekter Oberfläche für etwa 25km auf einer
ehemaligen Bahnstrecke bis Paisley. Der Rückenwind bleibt uns auch heute treu, leider
regnet es aber die meiste Zeit. Weiter führt der Radweg am Fluss 'White Cart Water' entlang und dann durch den 'Pollok Country Park' bis nach Glasgow. So erreichen wir fast ohne motorisierten Verkehr das Zentrum der größten Stadt Schottlands. Am
River Clyde stoßen wir auf den historischen Kran
'Finnieston Crane' sowie die Veranstaltungshalle
SSE Hydro.
Wie schon in Dublin und Belfast, haben wir uns auch in Glasgow für die internationale Jugendherberge als Unterkunft entschieden. Sie liegt am Kelvingrove Park im noblen Glasgower Westend in einem
viktorianischen Stadthaus in der Nähe des alten
Universitätsgebäudes. Vor der Herberge parken
Rolls Royce,
Ferrari und
Jaguar, was so gar nicht zum Image der Arbeiterstadt Glasgow passt. Wir besuchen die Innenstadt von Glasgow mit dem Rathaus
'City Chambers', die uns auch im Regen recht gut gefällt. Per
Taxi geht es dann in den
Pub Òran Mór, der in einer alten
Kirche liegt. Der
Tresen befindet sich in der Mitte des Kirchenraumes. Hier nehmen wir die Gelegenheit zu einer stilvollen Whiskyprobe wahr, ebenso probieren wir die schottische Nationalspeise 'Haggis', allerdings nur fein dosiert auf dem
Putenfilet.
Heute ist Kanal-Tag. Wir kommen erneut autofrei aus der Stadt, indem wir zunächst dem Fluss
Kelvin und dann dem im 18. Jhdt. gebauten
'Forth and Clyde Canal' folgen. Dabei befahren wir den ganzen Tag über die National Cycle Route 754. Der
Weg ist zunächst asphaltiert und gut befahrbar. Wir passieren eine Reihe von
Schleusen auf dem Weg nach Nordosten. Die
'Narrowboats' auf dem Kanal sind typisch für die Kanäle in Großbritannien. Sie erinnern manchmal an einen schwimmenden Sarg. Zur Mittagzeit erreichen wir eine besondere Attraktion: Das
Falkirk-Wheel ist ein Schiffshebewerk in Form eines Propellers. Es verbindet den Forth and Clyde Canal mit dem Union Canal, der nach Edinburgh führt. Das Hebewerk wurde im Jahr 2002 eröffnet, nachdem die in Vergessenheit geratenen schottischen Kanäle reaktiviert wurden. Seine Konstruktion ist weltweit einmalig. Durch das Gleichgewicht der beiden Gondeln bleibt das
Riesenrad in Balance und die Schiffe werden nach oben, bzw. nach unten befördert.
Der Union Canal ist landschaftlich noch reizvoller als der Forth and Clyde Canal. Am Treidelpfad blühen wilde
Orchideen. Der Kanal folgt der Gelände-Kontur und kommt so mit weniger Schleusen aus. In seinem Verlauf gibt es aber zwei Kanaltunnel und zwei Aquädukte, was die Fahrt an ihm interessant macht. Gleich der
erste Kanaltunnel beginnt hinter dem Falkirk Wheel und
zweite, immerhin 633m lang, nur drei Kilometer weiter. Auf dem
'Avon Aqueduct' aus dem 19. Jhdt. überqueren wir in 23m Höhe den Fluss
Avon. Das gleiche Erlebnis haben wir dann zwei Stunden später mit der Kanalbrücke über den
Almond. Das
'Almond Aqueduct' ist ebenfalls eine Steinbogenbrücke und stammt aus derselben Zeit. Der
Radweg am Union Canal ist nicht asphaltiert und durch den vielen Regen der vergangenen Tage an vielen Stellen stark
aufgeweicht. Die Fahrräder müssen einiges
mitmachen und wir kommen nur langsam voran. Wir überlegen einige Male auf die Straße auszuweichen, bleiben aber schließlich die ganze Zeit am
Kanal. Und das erweist sich am Ende als vorteilhaft, denn so kommen wir – wie schon in Glasgow – unbehelligt vom Straßenverkehr in das Zentrum von Edinburgh. Nach dem Einchecken in der Jugendherberge mache ich einen Abstecher zum Hafen. Hier liegen die
königliche Yacht 'Britannia' und mit der
'Windsurf' eines der größten Segelkreuzfahrtschiffe der Welt. In der
'The Theatre Royal Bar' findet der Tag mit der längsten Etappe einen würdigen Abschluss.
Heute lassen wir das Fahrrad stehen und erkunden die schottische Hauptstadt zu Fuß. Am
Calton Hill vorbei geht es zunächst zum
Holyrood Palace. Ursprünglich als Gästehaus der Holyrood Abtei erbaut, ist der Palast seit etwa 100 Jahren die offizielle Residenz des britischen Monarchen in Schottland. Pikanterweise wurde 2004 genau gegenüber dem Palast das
schottische Parlamentsgebäude errichtet. Hier beginnt auch die Pracht- und Paradestraße 'Royal Mile', der wir zur Burg von Edinburgh folgen. An der Straße liegt neben
touristischen Läden und
Pubs auch der verschlafene
Friedhof der Canongate Kirche. Außerdem finden wir die zu einem Markt umgewidmete
Tronkirche und die
St. Giles Kathedrale, die als Hauptkirche von Edinburgh fungiert. Je weiter wir zur Burg vorstoßen, umso lebhafter wird es, insbesondere
Straßenkünstler zieht das touristische Treiben an.
Die
Burg schauen wir uns zuerst von unten an. Den Eintritt von 16,5 Pfund pro Person empfinden wir als unverschämt teuer, wir gehen aber trotzdem rein. Das
Stadion am Eingang wirkt unpassend. Auf der Burg gibt es einiges zu sehen, nicht zuletzt lohnt der
Ausblick auf die Stadt. Die nachgestellten
Gefängniszellen im Kriegsmuseum wirken beklemmend. Einem Jungen aus einer Schülergruppe wird es auch zu viel: Mitten in der feierlichen
'Great Hall' muss er sich unvermittelt übergeben. Nach zweieinhalbstündigem Besuch verlassen wir wieder die Burg. Am
'New College' der Edinburgh-University vorbei laufen wir zum Abschluss durch die
'Princes Street Gardens', eine
Parkanlage unterhalb der Burg. Am
'Grassmarket' kehren wir dann zum Abendessen in das
'Beehive Inn' ein. Der
'Conan Doyle' Pub in der Nähe der Herberge hat dann noch einen Absacker in Form von Whisky für uns parat.
Endlich wieder Fahrrad fahren! Bereits nach gut dreieinhalb Kilometers haben wir die
Küste erreicht, der wir nun ostwärts folgen. Am
Portobello Beach erwischt es mich, genauer gesagt, meinen Reifen. Gegen eine
Reißzwecke ist auch die 'pannensichere' Bereifung machtlos. Die
Panne ist schnell behoben, und weiter geht es die Küste entlang. Immer wieder gibt es schöne Ausblicke aufs
Meer oder
Dekoratives auf der Strecke erregt unsere Aufmerksamkeit. Gefallen haben uns der Küstenort
Prestopans, sowie der kleine Hafen von
Port Seton. An der nördlichen Spitze des Councils 'East Lothian' riecht es intensiv nach Erbsen. Tatsächlich befinden wir uns in einem riesigen
Erbsenfeld, das gerade mit großem
maschinellem Aufwand abgeerntet wird. Hinter dem Ort North Berwick fällt uns ein besonderer Felsen im Meer auf: Es ist der
'Bass Rock', der unter Naturschutz steht, weil er eine der weltweit größten Basstölpelkolonien beherbergt. Vom Kot der Vögel ist der Felsen fast weiß.
Nun müssen wir den Tyne überwinden, und unsere Straße führt
mitten durch. Ein Warnschild weist auf eigenes Risiko hin. Zum Glück handelt es sich nicht um den Tyne in England, von dem unsere Fähre nach Amsterdam in wenigen Tagen ablegen soll, sondern nur um einen Bach in Schottland. Wir durchqueren den Bach vorsichtig und bis auf einen Fuß bleibt alles trocken. In Dunbar machen wir einen Abstecher zum
Hafen, der sich geschützt hinter einer Burgruine befindet. Der Radweg führt uns nun über einen kleinen Pfad durch
einsame Landschaft. Hinter dem
Kernkraftwerk Torness geht es wieder auf die Straße.
Es wird jetzt hügelig und es ergeben sich immer wieder weite Blicke über die
Küste. Eine
Straßensperrung ignorieren wir, und kommen auch gut durch. Erst um kurz vor acht kommen wir an unserer Unterkunft, dem B&B
Dunlaverock Guest House in Coldingham Sands an. Wir werden vom reizenden Hausherren
Bill und seinem Hund Gus in Empfang genommen. Vom Haus bietet sich ein fantastischer Blick auf die Bucht
Coldingham Bay. Für das Abendessen suchen wir den gemütlichen Pub 'New Inn' im Ort auf.
Nach einem guten
Frühstück mit Meerblick
verabschieden wir uns von Bill und Gus. Nach 15km erreichen wir eine besondere
Grenze: Wir verlassen nun
Schottland und fahren in den nördlichsten Zipfel von
England. Die erste Stadt in England ist
Berwick-upon-Tweed. Ein hübsches Städtchen, das für uns für eine Mittagspause zu früh kommt. Wir fahren stattdessen auf einem
kleinen Pfad an der
Steilküste entlang weiter nach Süden. Die Mittagspause machen wir dann in der Ferienanlage Haggerston und können uns nur wundern: Die Freizeit der Feriengäste scheint daraus zu bestehen, sich in einer lärmenden
Spielhalle zu vergnügen und/oder
Fastfood zu essen. Stilecht machen wir letzteres heute auch einmal und sind danach froh, wieder an der ruhigen
Küste von Northumberland weiter zu fahren. Hier treffen wir auf eine echte Ritterburg: Das gut erhaltene, mittelalterliche
Bamburgh Castle wird bis heute immer wieder gerne als Filmkulisse verwendet.
Erneut wählen wir eine Bed&Breakfast Unterkunft, es ist der einsam gelegene
Bauernhof
Rock Moor, an dem wir auch mit einem Abendessen versorgt werden. Wir haben die Unterkunft spontan während der Fahrt über eine Buchungsplattform gebucht. Unsere nette Gastgeberin Carolyn beklagt sich zwar über die hohen Gebühren, die sie an die Plattform entrichten muss, aber ohne diesen Service hätte sie uns heute wahrscheinlich nicht als Gäste gehabt.
Wie alle anderen 'Bed&Breakfast' Unterkünfte auf dieser Reise, erweist sich auch
Rock Moor als hervorragend. Neben dem typischen 'English Breakfast' gibt es wie immer
'Weetabix' dazu. Der trockene
Vollkorn-Weizen Keks muss in Milch eingeweicht werden, um genießbar zu sein. Dass er sich vermutlich auch für die Bauwirtschaft sowie zum Fenster putzen eignet, ist eine nicht bewiesene Annahme von uns.
Erneut geht es auf der National Cycle Route 1 auf einsamen Pfaden an der
Küste entlang, teils auf der
Grasnarbe. Hin und wieder gibt es
Sandstrände an der ansonsten
schroffen, leicht hügeligen Küste. Hier werden wir von einem älteren Herrn angesprochen, der wissen möchte, was wir vom Brexit hielten. Zuvor hatten uns schon einige Menschen, insbesondere in Schottland, ungefragt ihre Meinung dazu gesagt. Auf der ganzen Reise haben wir keinen Befürworter des EU-Austritts getroffen, dies mag aber auch daran liegen, dass wir eher mit Menschen in Kontakt waren, die meist berufsbedingt mit Ausländern wie uns zu tun haben, bzw. ihr Geld im Tourismussektor verdienen.
In Alnmouth fängt es an zu regnen, da kommt das
'Red Lion Inn' für eine Mittagspause gerade recht. Wir passieren die Burgruinen von
Dunstanburgh Castle und
Warkworth Castle, die beide schon bessere Zeiten gesehen haben. In Cresswell gönnen wir uns eine
Eispause. Als Etappenziel haben wir den Küstenort
Newbiggin-by-the-Sea vorgesehen. Eine spontane Buchung einer Unterkunft wie am Tag zuvor scheitert diesmal. Es ist keine freien Unterkünfte auf dem Buchungsportal vorhanden und eine telefonische Buchung kommt nicht zustande, weil wir nicht unsere vollständigen Kreditkartendaten am Telefon preisgeben wollen. So fahren wir einfach auf gut Glück hin. Doch diesmal haben wir Pech, das Hotel mit dem wir telefoniert hatten ist inzwischen voll, und private B&Bs sind in aller Regel – wie auch hier – nicht auf Spontanbesuche ausgelegt. Daher bleibt uns nichts weiter übrig, als knapp 20km weiter bis Cramlington zu fahren. Hier quartieren wir uns in einem Motel ein, das seinen Zweck erfüllt.
Wir fahren wieder an die
Küste und erreichen diese bei Seaton Sluice, nachdem wir das Herrenhaus
'Seaton Delaval Hall' passiert haben. Der Ort war im 18. Jhdt ein Kohlehafen, einige
Befestigungen sind noch zu sehen. Als nächstes besuchen wir den Leuchtturm
'St. Mary’s Lighthouse' auf einer kleinen Insel, die bei Ebbe zugänglich ist. Die
Strände in Tynemouth ziehen nun immer mehr Menschen an. Vom
Radweg haben wir einen guten Blick auf das
Treiben. An der
Mündung des Tyne stehen
Tynemouth Castle sowie die
Ruinen des zugehörigen Klosters. Für uns geht es nur noch wenige Kilometer am
Tyne entlang landeinwärts bis zum Hafen, von dem unsere
Fähre ablegt. Im Bauch der 'Princess Seaways' ist genug Platz für unsere Räder, jedes Rad wird einzeln
vertäut. Die
Viererkabine ist funktional eingerichtet, aus dem Fenster haben wir den
Blick auf den Bug. Ein
Bier auf dem Deck haben wir und nun wahrlich verdient.
Pünktlich erreicht die Fähre am nächsten Morgen den
Hafen von IJMuiden. Die 30km lange Fahrt nach
Amsterdam mit starkem Rückenwind ist ein Kinderspiel. Bevor wir per
Bahn nach Hause fahren, essen wir im irischen Pub
'Temple Bar Café'. So schließt sich der Kreis zum Beginn einer erlebnisreichen Reise.